Die ÖRK-Vollversammlung 2022   -   Chance und Anstoß für unsere Ökumene!

 

Zum ersten Mal findet mit der 11. Vollversammlung vom 31. August bis zum 8. September 2022 in Karlsruhe eine Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Deutschland statt (www.karlsruhe2022.de). Sie ist - nach der Gründungsversammlung 1948 in Amsterdam und der wegweisenden 4. Vollversammlung 1968 im schwedischen Uppsala - die dritte in Europa. Als höchstes Entscheidungsgremium des ÖRK - alle 8 Jahre - wird sie globale Themen und aktuelle Herausforderungen zur Sprache bringen, die Menschen in einer bedrohten und zerrissenen Welt bewegen (www.oikoumene.org).

Ferner wird in Strasbourg/Elsass dazu eingeladen, die Unterzeichnung der „Charta Oecumenica - Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa“ im Jahr 2001 nun in einem feierlichen Akt weltweit zu übernehmen und zu bestätigen www.oekumene-ack.de. Auch die „Charta“ wird einem Verständnis von Ökumene gerecht, das über die innerkirchlich-konfessionellen Probleme hinaus die Thematisierung der den ganzen „Weltkreis“ betreffenden Menschheitsprobleme umfasst. Das Wort Ökumene ist ja aus dem griechischen Wort für die ganze bewohnte Erde: „oikoumene“ abgeleitet.

 

Der ÖRK repräsentiert etwa 580 Millionen Christen weltweit aus derzeit 352 unterschiedlichen Mitgliedskirchen: protestantischen, anglikanischen und orthodoxen Kirchen. 800 Delegierte aus den 352 Mitgliedskirchen, weitere Vertreter:innen von Kirchen weltweit (darunter auch die röm.-katholische Kirche) und viele internationale Gäste werden in Karlsruhe erwartet.

Sie werden sich auch fragen, wie eine ökumenische Bewegung aussehen könnte, die wirklich bewegt, Leidenschaft weckt und echte Verbindungen aufbaut. Eine „Ökumene des Herzens“(Susan Durber), die mehr ist als die klassische Text-Ökumene und die für die weiteren 8 Jahre nach Karlsruhe 2022 von der „Liebe Christi zu Versöhnung und Einheit bewegt wird“.

 

In Anbetracht der globalen Herausforderungen bietet diese Vollversammlung die Möglichkeit, „in einer erneuerten ökumenischen Bewegung zum Wohle der Welt eine öffentliche Stimme (zu) finden, um Hoffnung machen zu können“ (ÖRK: Gedanken zum Thema)

Es war der ÖRK, der 1983 den „Konziliaren Prozess gegenseitiger Verpflichtung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ auf den Weg brachte (6. Vollversammlung in Vancouver/Kanada). Dieser verbindet „unsere beiden tiefsten ökumenischen Anliegen: Einheit und Erneuerung der Kirche sowie das Heilen und die Bestimmung der menschlichen Gemeinschaft. Die Einheit der Kirche ist von fundamentaler Bedeutung für das Wohlergehen der Kirche und für die Zukunft der menschlichen Familie...“. An den 7 Tagen in Karlsruhe stehen jeweils die unterschiedlichen Themen an.

 

Ökumenische Basisinitiativen - „Unser gemeinsames Haus - Casa Común“ - wollen das Großereignis Vollversammlung kritisch-konstruktiv begleiten, damit eine müde gewordene ökumenische Bewegung „sich künftig (wieder) intensiver und entschiedener mit den Überlebensfragen von Menschheit und Schöpfung sowie ihren strukturellen Ursachen“ auseinandersetzt. Hin zu einer prophetischen und befreienden Praxis: „Den Schrei der Erde und der Armen hören und die Ketten der Ungerechtigkeit für die ganze Schöpfung lösen (Jesaja 58,6)“ (Aufruf an die Vollversammlung: www.casa-comun-2022.de; vgl. www.freckenhorster-kreis.de) (Vgl. dazu die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen vom 25.9.2015 - bei www.misereor.de)

 

Das Motto : „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“ („Christ’s love moves the world to reconciliation and unity“) hat eine biblische Basis in 2 Korinther 5,14: „Denn die Liebe Christi drängt uns ...“ . In einer Welt des Leids und der Ungerechtigkeit, des Unfriedens und der Gewalt ist das Vollversammlungs-Thema ein Zeugnis unseres Glaubens und ein grundlegender Aufruf an Kirchen und Christen in der Nachfolge Jesu Christi und an Menschen anderen Glaubens und alle Menschen guten Willens, gemeinsam Schritte auf dem „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“ zu gehen (10. Vollversammlung Busan/Korea 2013) .

Wie in allen Vollversammlungen wird auch in Karlsruhe vom Thema her abschließend eine „Message“ veröffentlicht als Ruf der Kirchen in die Welt hinein.

 

Gegenwärtig hat ja auch Papst Franziskus die katholische Kirche zu einem weltsynodalen Weg 2021-2023 eingeladen: „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission“.

Und 2022 jähren sich: die Einberufung des 2. Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962; „das Wunder von Lima“ 1982 mit den ökumenischen Lima-Erklärungen zu Taufe, Eucharistie und Amt.

 

Karlsruhe kann so auch die Weichen stellen, die noch ungelösten Konflikte zwischen den Kirchen entschlossen und glaubwürdig anzugehen „zur sichtbaren Einheit in dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft [...], durch Zeugnis und Dienst an der Welt [...], damit die Welt glaube“ (Verfassung des ÖRK; vgl. Joh 17,21, Matthäus 5,23f).

Auf dem Weg (des ÖRK) in Richtung Versöhnung und Einheit könnte 2025 der 1700. Jahrestag des Konzils von Nicäa, des 1. Ökumenischen Konzils, einen nächsten Schritt anstoßen.

 

Am Mittwoch, 7. Sept., geht es so um: „Die Liebe Christi - die Verbundenheit in der Einheit von Christinnen und Christen und das gemeinsame Zeugnis der Kirchen“. Dazu wird auch eine Erklärung zur Einheit/ Unity statement verabschiedet als Wort der Hoffnung.

 

Ein Bündnis aus ökumenischen Gruppen und Einzelpersonen fordert(e) zur diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen in einem Memorandum „Aufbruch zum Haus der Gemeinschaft Christlicher Kirchen“ dazu auf - bezogen auf das Leitwort der Vollversammlung -, in Karlsruhe „eine Dekade der Versöhnung zwischen den Kirchen von 2023 bis 2033“ zu beschließen (www.altenberger-gespraeche.de).

 

„Auf ökumenischen Vollversammlungen sind genug Aufrufe an .... gerichtet worden. Jetzt kommt es darauf an, dass unsere Kirchen selber sichtbare Zeichen der Versöhnung setzen und damit ein Beispiel geben ..., damit die Welt ihrer Botschaft Glauben schenken kann.“

Das Memorandum enthält einen Zeitplan für konkrete Schritte, zu „wegweisenden theologischen Impulsen für das kommende Jahrzehnt“. Besonders Deutschland wird hier eine historische ökumenische Verpflichtung zugesprochen - zur Heilung der Brüche, Trennungen und Spaltungen aus/nach der Reformationszeit. Wobei u.a. 2030 - 500 Jahre nach dem Augsburger Bekenntnis/Confessio Augustana - ein angemessener Zeitpunkt wäre, von römisch-katholischer Seite die reformatorischen Kirche/n öffentlich als gleichberechtigt, als „Kirchen im eigentlichen Sinne“ anzuerkennen - mit den entsprechenden Folgerungen!

 

Mit der Perspektive des gemeinsamen Hauses schlägt das Memorandum für Karlsruhe 2022

drei deutliche ökumenische Zeichenhandlungen vor: 1. Eucharistische Gastfreundschaft zwischen den Konfessionen (= „1. Ökumene“), 2. Gegenseitige Fußwaschung mit Einbeziehen anderer Religionen ( = „2. Ökumene“) und ein öffentliches Schöpfungsfest mit Beteiligung der Bewegung Fridays for Future (= „3. Ökumene“).

 

Diese ökumenischen Anstöße können ja auch in unseren Gemeinden zur Praxis werden, für eine

ökumenische Kirche als „Haus der Gemeinschaft“, als ein Ort gemeinsamen Lebens und Glaubens der befreienden Botschaft des Evangeliums. Unsere Vereinbarung über die Ökumenische Gemeindepartnerschaft der kath. und ev. Kirchengemeinden aus Hiltrup/Amelsbüren von 2019 geht ja diesen ökumenischen Weg.

 

Beide Gesichter der ökumenischen Bewegung - die mehr „kirchliche“ und die „umfassendere“ Ökumene - haben dabei ihren Wert; und beide können ihren Beitrag zum biblischen „Schalom“ leisten. In dieser zerrissenen Welt der Angst und des Leids, der Ungerechtigkeit und der Gewalt brauchen wir eine Erneuerung der Hoffnung und unserer Vision für die Zukunft.

„Der Weg ist uns gewiesen. Lasst uns ihn gemeinsam gehen.“

 

Karl-Dieter Müller (Ökumene-Ausschuss)