Der Synodale Weg vor dem (Ab-) Schluss?

 

Die Frage, wie wir heute - in einer Umbruchsituation - Glauben leben und Kirche sein können, ist die zentrale Zukunftsfrage, um die es auch beim Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland geht, der sich so auch in den weltkirchlichen synodalen Prozess („Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“  2021-2024) einbringen will (dessen kontinentale Phase gegenwärtig läuft; Europa im Februar 2023 in Prag).

 

Im Frühjahr 2019 entschieden die deutschen Bischöfe - angestoßen durch die „MHG-Studie“ von 2018 -  das ZdK einzuladen, sich miteinander auf einen synodalen Weg zu begeben.

 

„Als Synodalversammlung gehen wir den Synodalen Weg - aufgerüttelt durch den Aufschrei und die Klage (Exodus 3,7) der Betroffenen sexueller Gewalt. Wir gehen ihn als einen Weg der Umkehr und der Erneuerung. Wir stellen uns der Kritik und der berechtigten Anklage der Betroffenen von Machtmissbrauch, sexueller Gewalt und deren Vertuschung in der Kirche. Das Evangelium, Gottes Frohe Botschaft, wollen wir neu hören und verkünden - in Worten und Taten. So steht der Synodale Weg im Dienst der Evangelisierung. Es ist unverzichtbar, Schuld offen zu bekennen und auch die strukturellen Ursachen dieser Schuld aufzuarbeiten. ...“ (Vorlage für den Präambeltext, 2. Lesung auf der anstehenden 5. Synodalversammlung, 9.-11.3.2023)

 

Die 4 Hauptthemen ( >  4 Synodalforen) - Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, Priesterliche Existenz heute, Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche, Fragen der Sexualmoral der kath. Kirche - sind in der innerkirchlichen Diskussion in Deutschland keineswegs neu; sie stehen schon seit mehreren Jahrzehnten in der Debatte, erhielten aufgrund der beschämenden Erkenntnis des auch strukturellen Versagens der Kirchenleitungen und der Herausforderungen durch die Krise der Kirche eine neue Aktualität. So ist „die aktuelle Kirchenkrise nicht nur eine institutionelle Krise, sondern zugleich eine Krise des überlieferten Glaubens u. des individuellen Glaubenslebens.... Darin liegt das existentielle, spirituelle u. intellektuelle Drama dieser Krise.“ (Julia Knop, Anders katholisch werden. Mögliche Wege aus der Kirchenkrise, HerKor 2/2023, S. 30-32).

 

Nach der turbulenten 4. Vollversammlung Anfang September 2022 und v.a. dem Ad-Limina-Besuch der deutschen Bischöfe im November in Rom und den dort sichtbar gewordenen höchst unterschiedlichen Bewertungen (vgl. die veröffentlichten Texte von Kardinal Quellet und Kardinal Ladaria!) fragen sich viele, was dies für den Synodalen und den weiteren Weg der katholischen Kirche in Deutschland bedeutet. Es ist möglich, dass diese Vollversammlung, ihre Diskussionen u. Abstimmungen entscheidend sein werden für die Zukunftder kath. Kirche in Deutschland und darüber hinaus - da die „jetzige Form von Kirche an ihr Ende gekommen“ ist (Bischof Genn/MS 12/2021).

 

Vom  9.-11. März 2023  findet in Frankfurt/M. diese 5. (letzte) Synodalversammlung  statt. Das Programm, die Tagesordnung u. alle (vorbereiteten) Texte  sind auf  www.synodalerweg.deverfügbar; wo ebenso der Livestream  der Synodalversammlung ff angeboten wird. (Auch auf www.katholisch.de können Sie sich aktuell und umfassend informieren.)

 

Dort finden Sie auch alle Texte, die bereits von der Synodalversammlung beschlossen wurden:

u.a. der Orientierungstext „Auf dem Weg der Umkehr und der Erneuerung. Theologische Grundlagen des Synodalen Weges ...“; der Grundtext des Synodalforums 1 „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche - Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“;

der Grundtext des Forums 3 „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ und verschiedene Handlungstexte (u.a. „Synodalität nachhaltig stärken“; „Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität“´; „ Grundordnung des kirchlichen Dienstes“).

Dieser Reformprozess ist kirchenrechtlich natürlich schwach; seine „Beschlüsse“ entfalten aus sich heraus keine Rechtswirkung für die einzelnen Bischöfe. Seine Kraft liegt (?) im Performativen, Gläubige und Bischöfe von der Notwendigkeit und Realisierbarkeit von Reformen zu überzeugen.

 

Als Vorlagen  stehen jetzt für die 2. (entscheidende) Lesung u. a. folgende (Handlungs-)Texte an:

„Gemeinsam beraten und entscheiden“ Forum 1); Grundtext „Priesterliche Existenz heute“, „Der Zölibat der Priester - Bestärkung und Öffnung“ (Forum 2); „Frauen in sakramentalen Ämtern - Perspektiven für das weltkirchliche Gespräch“ (Forum 3); „Segensfeiern für Paare, die sich lieben“, „Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt“ (Forum 4)

Was bleibt in Frankfurt von der aufgeladenen Stimmung der 4. Synodalversammlung und den Erfahrungen rund um das Scheitern der Vorlage für eine „erneuerte Sexualethik“ (Forum 4) durch  Nichtzustimmung von 21 (Weih-)Bischöfen (= 38%! von 57 Bischöfen) -  bei insgesamt 82% (bei 196 Stimmabgaben) Zustimmung ? Wie haben u. werden die kontroversen Gespräche in Rom diese letzte Phase beeinflussen? Welche  Folgen hat das erneute Kardinals-Schreiben aus dem Vatikan (auf „Brief-Anfrage“ von 5 deutschen Bischöfen) - mit der Ablehnung  eines Synodalen Rates auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher (!) Ebene? Wie umgehen mit der  Kritik von Papst Franziskus am synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland („keine 2. ev. Kirche“!?)?

Schon die (zuerst anonyme) vatikanische „Note“ vom 21.7.2021 hatte ja eine „Macht-ansagegemacht: „Der Synodale Weg in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten.“  Wie dann Glauben u. Kirche neu,anders denken - vom Evangelium her?!

 

Welche Themen werden aktuell kontrovers u. welche eher einmütig diskutiert? Wie kann die Versammlung noch zusammengehalten werden - auch über das Ende hinaus und was müsste dazu thematisiert werden? Was braucht es für einen gelingenden Abschluss ? Wo sollen die Reformen  beginnen und wo hören sie auf? Lassen sich auch die Bischöfe auf das Projekt der tiefgreifenden Erneuerung ein? Und wie umgehen mit der Reformverweigerung und dem innerkatholischen Widerspruch in Deutschland u. dem im Vatikan?

Es muss auch angesprochen werden, wie mensch in dieser Kirche weiterleben kann und was zu tun ist, wenn die Türen der Veränderung zugeschlagen bleiben? Was, wenn die  Hoffnung  auf Umkehr und Erneuerung ins Leere geht; welche Hoffnung gibt es dann noch - für eine Zukunft,

die über diese Ent-täuschung hinaus sieht und geht?

 

„Natürlich geht es am Ende des Tages darum, Veränderungen in der Leitung, der Lehre und der Moral der Kirche zu implementieren. Toxische  Strukturen  und  lebensfeindliche  Lehren der katholischen Kirche müssen korrigiert werden. Machtmissbrauch muss wirksam unterbunden werden. Rechtsstaatliche Prinzipien müssen auch in der katholischen Kirche gelten. Die strukturelle Diskriminierung von Frauen in der katholischen Kirche muss überwunden werden. Die diskriminierende Lehre zu queerer Sexualität muss substanziell korrigiert werden. ...es ist ... klar, dass es für solche Reformen ... eine weltkirchliche Verständigung braucht. ...kein Zweifel daran..., dass die Themen, die in Deutschland vorgedacht werden, weltkirchlich relevant und virulent sind. ...“ (Prof‘in Julia Knop/ Erfurt) Vgl. den Entwurf einer Charta „Für Menschenrechte und für Grundrechte in der Kirche“/ ICRN - 2018, um mitzuwirken an einer Kirche, die einladend, offen u. inklusiv ist, die im Geist des Evangeliums dem Reich Gottes in unserer Welt Raum schafft.

„[D]ie Beschlüsse des Synodalen Weges fragen.... wie wir heute Kirche sein können - missionarisch und dynamisch, ermutigend und präsent, menschendienlich und einander helfend“ (Bischof Bätzing. 18.11.2022 im Vatikan/Rom).

 

Über diese seit vielen Jahren eingeforderten Reformen hinaus gilt es auch - für alle christlichen Konfessionen - existenzielle Lebensfragen u. bewegende Glaubensfragen zur Sprache zu bringen. Wo fundamentale Plausibilitäten des Glaubens schwinden oder in Frage gestellt werden, genügen den Fragenden u. Suchenden nicht mehr die abgenutzten „dogmatischen“ Antworten. Wie Menschen heute helfen, dass sie in der Krise auch des Gottesglaubens („Gotteskrise“/J.B. Metz) Zugang finden zu einer neuen Form von „Glaubens- u. Gottesgewissheit“ (vg. Joh 10,10b).

Hilfreich könnte es sein, die „ekklesiologische Misere der Gegenwart“ zu nutzen, um neue Fragen  zu lernen u. neu fragen zu lernen. „Wie kann es  weitergehen? ... ein Gottesbild, das keine patriar-chalischen Muster mehr bedient, sondern allen zum Anker wird; ein Glaube, der Menschen vor Gott groß und frei sein lässt; eine Kirche, die vor aller Welt für Gerechtigkeit einsteht, Vielfalt als  Ausdruck des Geistwirkens Gottes erkennt, (spirituelle, intellektuelle, sexuelle) Selbstbestimmung achtet und fördert; eine Praxis, die wirklich ... ‚sakramental‘ wirkt, also bedeutsam und heilsam dafür ist, Menschen untereinander und mit Gott zu verbinden.“ (Julia Knop, s.o.)

Was wir als Getaufte  hier und heute  tun können? Nutzen wir unsere Freiheit  und unsere institutionellen Möglichkeiten (verankert im Glaubenssinn des Gottesvolkes/2.Vat. Konzil) für Reformen  (in) der Kirche auf lokaler, nationaler u, weltkirchlicher Ebene! Nicht nur als Einzelpersonen, sondern auch als Gruppen, Gemeinschaften, Räte, Organisationen, Verbände u. Gemeinden ... können wir schon heute eigenverantwortlich als „Nachfolge-Gemeinschaft von Freien und Gleichen“ leben (vgl. Galater 3,28 u. 5,1).)

KD Müller