Missbrauch: Stellungnahme und Einladung zum Gespräch am Mittwoch, 10. August um 19:30 Uhr ins Pfarrheim St. Marien

 

Liebe Gemeinde,

 

am 13. Juni hat ein Team der Westfälischen Wilhelms-Universität eine Studie zum sexuellen Missbrauch Schutzbefohlener im Bistum Münster seit 1945 vorgelegt. Der historische Ansatz dieser Studie und auch die intensive Beteiligung Betroffener am Entstehen dieser Studie hat viel positive Resonanz erfahren. Es wird in der Studie sehr deutlich, wie sehr systemische Bedingungen der Kirche in ihrer Struktur das Täterverhalten ermöglicht, verstärkt und geschützt haben.

 

Im Gegenzug machen die Ergebnisse selber sprachlos und sie erschüttern uns innerlich. Hinter der hohen Zahl an Betroffenen stecken ebenso viele Einzelschicksale. Perfides Ausnutzen von klerikaler Macht für hoch egoistische Ziele, der es offensichtlich egal ist, ob Menschen daran zerbrechen, ist unentschuldbar. Dass Täter dann geschützt werden, während die Betroffenen ignoriert oder diskreditiert werden, ist skandalös. Ein völlig fehlgeleitetes und aus dem Ruder gelaufenes Verständnis vom priesterlichen Amt in unantastbare, unkontrollierbare und unangreifbare theologische und rechtliche Sphären, muss dringend aufgearbeitet, korrigiert und auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden.

 

Die Frage danach, wo Menschen an und in der Kirche gelitten haben, muss in seiner ganzen Breite gestellt werden. Wo überall waren oder sind Gewalt, Angst oder moralischer Druck akzeptierte oder auch nur geduldete Mittel, um Menschen zu disziplinieren oder in Formen zu pressen, die nicht sie selber sind? Wo haben gewachsene kirchliche Moralvorstellungen - vor allem im Bereich der Sexualität, aber nicht nur -  jeglichen Lebensbezug oder Bezug zum Stand humanwissenschaftlicher Erkenntnisse verloren und treiben die Menschen von sich aus in Lebenslügen?

 

Angesichts dieses so breiten und tiefgreifenden Versagens von Kirche und diesem eklatanten Verrat der Verkünder an ihrer eigenen Botschaft kann niemand einfach so zur Tagesordnung zurückkehren. Die immer stärker steigende Zahl Kirchenaustritte – auch von Menschen, die sich bis eben noch in unseren Gemeinden engagiert haben – macht deutlich, wie groß das Entsetzen ist, wie unverzeihlich das Geschehene ist, wie groß die Resignation in der Frage ist, ob wir überhaupt noch in der Lage sind, uns selber zu erneuern.

 

Wir vom Pfarreirat und vom Seelsorgeteam möchten Sie und Euch zum Austausch über all diese Dinge einladen. Das alles ist derart, dass es jeden Einzelnen innerlich überfordern kann, wenn man versucht, alleine damit klar zu kommen. Auch Frust und Ärger müssen raus. Und es braucht den gemeinsamen Austausch darüber, wie wir als Gemeinde darauf reagieren wollen, wie wir uns positionieren, wie wir uns in Zukunft aufstellen für unseren Weg in die Zukunft. Hierzu laden wir ein zu einem ersten gemeinsamen Abend am Mittwoch, 10. August um 19.30 Uhr ins Pfarrheim St. Marien.

 

Die Studie selbst finden Sie online unter https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/wwu/journalisten/macht_und_sexueller_missbrauch_im_bistum_muenster.pdf oder auch als Buch, erschienen im Herder-Verlag.

 

Mike Netzler, Pfr.