Die Geschichte des Kupferkästchens - Die Urne Bernhard Poethers ist zurzeit in St. Sebastian ausgestellt

 

Aktuell ist das versiegelte Kupferkästchen im Sakrarium der St. Sebastian-Kirche in Amelsbüren sichtbar ausgestellt Foto: Michael Grottendieck (WN)

Kaplan Bernhard Poether starb im Konzentrationslager Dachau an den Folgen von Folter und Unterernährung.

(Artikel von Michael Grottendieck in der WN Hiltrup am 5. August 2020)

 

Es gibt sie tatsächlich. Sie ist zudem sehr würdig gestaltet und schön beschriftet. Am 10. Juli wurde die Urne Kaplan Poe­thers in der Sankt-Clemens-Kirche geborgen. Aktuell ist das versiegelte Kupferkästchen im Sakrarium der Sankt-Sebastian-Kirche in Amelsbüren sichtbar ausgestellt. Auch nach der Renovierung der Pfarrkirche Sankt Clemens wird die Urne im Altar, der den Tabernakel tragen wird, sichtbar bleiben.

78 Jahre nach dem Tod Kaplan Poethers im Konzentrationslager Dachau stellt sich die Frage: Was wissen wir eigentlich über die Geschichte dieser Urne und damit über den Umgang mit diesem Glaubenszeugen, der es nach der Überzeugung der Gemeinde verdient hat, von der Kirche selig gesprochen zu werden.

Im Sommer 1942 herrschten im Konzentrationslager Dachau katastrophale Zustände. Der Sommer 1942 gilt als der Hungersommer. Menschen ließ man bewusst verhungern.

Ein Priester aus dem Bistum Freiburg beschreibt die Folgen im Priesterblock. Allein im Juli und August 1942 hätten 65 Priester ihr Leben verloren. „Die polnischen Priester ungefähr das Dreifache, sind sie ja fast alle schon länger in Haft. Von ihren alten Leuten leben bald keine mehr. Die Sterbeziffer des Lagers beträgt in diesen Hungermonaten täglich durchschnittlich 100 und mehr.“

Unter den täglich hundert Toten sind nicht nur Ältere. Auch Jüngere sind betroffen. Einer von ihnen ist Bernhard Poether , der sich seit September 1939 in Haft befindet. Zwischendurch hat er ein Jahr lang Isolationshaft und Folter im Konzentrationslager Sachsenhausen erlitten. Sein Verbrechen: Er war in der Polenseelsorge tätig. Erst im Frühjahr 1941 wurde er nach Dachau überstellt. Da war er bereits leichenfahl und abgemagert. Wechselweise litt er unter schwerer Verstopfung oder schwerem Durchfall. Zuletzt kam die Ruhr hinzu.

Mitbrüder berichten, Kaplan Poether sei am Morgen des 5. August auf dem Appellplatz erschöpft zusammengebrochen und kurz darauf gestorben. Der 36-Jährige, der 1,80 Meter groß gewachsen war, wog am Ende lediglich 44 Kilogramm. Herz- und Kreislaufversagen gab der Lagerarzt als Todesursache zu Protokoll.

Kaplan Bernhard Poether hat bereits unter seinen Leidensgenossen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Er habe nie um seine Befreiung aus dem Gefängnis und dem Konzentrationslager gebetet, so berichten Mitbrüder aus dem Priesterblock, sondern nur darum, dass Gottes Wille geschehe. Ein befreundeter Priester war angesichts der Haltung, mit der Kaplan Poe­ther sein Martyrium trug, überzeugt: „Poether war ein heiligmäßiger Priester, einer der besten der 3.000 Priester, die in Dachau gewesen waren.“

In Hiltrup traf die Todesnachricht am 11. August ein. Sie traf Vater Hermann Poether wie aus heiterem Himmel. Er war fix und fertig. Kaplan Wahmhoff, der 1939 Poethers Nachfolger in der Sankt-Joseph-Gemeinde in Bottrop wurde, besuchte den alten Postmeister: „Er ließ mich einen Brief lesen, den er vom Konzentrationslager Dachau erhalten hatte, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass sein Sohn Bernhard trotz aufopfernder Pflege und ärztlicher Hilfe an einer unheilbaren Krankheit verstorben sei. Gegen Einsendung eines Entgelts von 18 Reichsmark könne er die Asche kommen lassen.“

Vater Poether war zunächst skeptisch, aber dann wurde die Urne schließlich nach Hiltrup geschickt. Wann sie dort ankam, ist nicht überliefert.

Auch in Ankum nahe Bersenbrück nördlich von Osnabrück traf im August 1942 ein Paket aus Dachau ein. Der Karton war mit einem gelben Querstreifen überklebt: Vorsicht, Aschereste! Nicht werfen! Darin befand sich eine Blechdose als Urne. Beigelegt war mit Namensnennung von August Benninghaus eine Bescheinigung Nr. 4519/1942 des Krematoriums Dachau.

Für Kaplan Poether wie für August Benninghaus darf stark angezweifelt werden, dass es sich um ihre eingeäscherten Überreste handelt. Mehrere Leichen wurden im Krematorium Dachau zusammen verbrannt und die Asche oftmals auf mehrere Urnen verteilt. Das Requiem für Benninghaus fand am 30. Juli statt. Die Urne wurde in einem Sarg am 31. August 1942 auf dem Ankumer Friedhof in Anwesenheit von 20 Geistlichen beigesetzt. Heute setzt sich die Kirchengemeinde ebenfalls für die Seligsprechung des am 20. Juli 1942 verhungerten Jesuiten-Paters ein.

Für Bernhard Poether wurde am 17. August zum Levitenamt in der Sankt-Clemens-Kirche eingeladen. Ob die Urne zu diesem Zeitpunkt bereits in Hiltrup angekommen war, ist nicht bekannt. Für den Pfarrer von St. Clemens, Otto Reddemann, hatte der 17. August jedoch ein Nachspiel. Er erhielt eine Vorladung zur Gestapo. Offiziell warf man dem Priester eine verbotene Messfeier nach Fliegeralarm vor. Jedenfalls hatte er 1.000 Reichsmark Sicherungsgeld zu zahlen.

Aus dem Familiengrab auf dem Alten Friedhof wurde später die Urne in den Seitenaltar der St.-Clemens-Kirche umgebettet. Ein neues Behältnis wurde angefertigt. Mit viel Aufmerksamkeit wurde es erstellt. Auch der Aufwand, das Schatzkästchen zu beschriften, dürfte beachtlich gewesen sein.

„Im Grund wurde der Weg der Seligsprechung bereits damals gegangen“, sagte Pfarrer Mike Netzler bei der Bergung der Urne. Dafür spricht übrigens auch, dass sich die Urne in dem Reliquiar des Altars befand. Sie wurde direkt in den Altartisch eingelassen. Lediglich eine Angabe, wann das erfolgte, fehlt.

Merkwürdig bleibt auch, dass in den Kirchenbüchern sich keine Notiz zu der Umbettung findet, ergänzt Ewald Spieker, Sprecher des Bernhard-Poether-Arbeitskreises.